Polnische Küche
Die polnische Küche wurde stark von der wechselvollen Geschichte des Landes beeinflusst. Zahlreiche Nationen hinterließen ihre Spuren in polnischen Kochtöpfen. Eines vereint jedoch die Gerichte: den hohen Stellenwert deftiger Fleischwaren und Würste. Bis heute nimmt Polen weltweit einen Spitzenplatz beim Fleischverzehr ein.
- Eine Küche mit Herz
- Königinnen für mehr Vielfalt
- Zurück zur Natur
- Kartoffeln statt Grütze
- Jetzt geht es um die Wurst
- Zur Abwechslung etwas Süßes
- Wodka: eine polnische Erfindung
- Polnische Gerichte
Eine Küche mit Herz
Wenn es ein Gericht gibt, das die polnische Küche repräsentiert, so ist es das Nationalgericht Bigos: Sauerkraut, Fleisch und Wurst bilden die Grundlage dieses gehaltvollen Eintopfs, der in seiner köstlichen Originalversion über mehrere Tage köcheln muss, um sein ganzes Aroma zu entfalten. Obwohl es erst im 15. Jahrhundert erstmals schriftlich erwähnt wurde, ist Bigos vermutlich eines des ältesten Gerichte Polens überhaupt und wird auch in den Nachbarländern Litauen, Weißrussland und in der westlichen Ukraine gerne verzehrt. Jede Region hat ihre eigene Variante mit unterschiedlichen Wurst- und Fleischsorten und vielfältigen anderen Zutaten – was immer Gärten und Felder hergeben. Dies können Zwiebeln und Karotten sein, Tomaten, Pilze, scharfe Paprika und vieles mehr. War Bigos ursprünglich eher eine Suppe, die mit Brot verzehrt wurde, entwickelte es sich mit der Ankunft der Kartoffel als Beilage zum Eintopf.
Königinnen für mehr Vielfalt
Anders als viele andere Nationen, die Gewürze erst relativ spät entdeckten, genossen die Polen bereits im Mittelalter stark gewürzte Speisen. Salz kam aus den eigenen Salzminen von Wieliczka, und durch enge Handelsbeziehungen mit dem Osmanischen Reich und den Nationen des Kaukasus kamen exotische Gewürze schon sehr früh nach Polen. Die ordentlich mit Paprika, Lorbeer, Pfeffer, Muskatnuss und Majoran gewürzte Kuttelsuppe Flaki galt als Lieblingsspeise von König Wladislaw II Jagiello, der das Land von 1386 bis 1434 regierte. Heute ist diese Suppe übrigens ein klassisches Hochzeitsgericht in Polen; neben Kutteln vom Rind werden auch Innereien vom Schwein oder vom Geflügel verarbeitet.
Großen Einfluss auf die polnische Küche hatten die Ehefrauen der polnischen Könige: 1518 ehelichte König Sigismund I. die Italienerin Bona Sforza, die mit ihren Köchen zahlreiche bis dahin unbekannte Südfrüchte, Gemüsesorten, Nüsse, Olivenöl und vieles mehr nach Warschau brachte. Ein Jahrhundert später folgte die Französin Marie Louise Gonzaga (die gleich zwei polnische Könige hintereinander heiratete!) und mit ihr die feine französische Kochkunst.
Zurück zur Natur
Mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert verloren die Polen das Interesse an exotischen Köstlichkeiten aus Italien und Frankreich und konzentrierten sich wieder mehr auf das, was die eigenen Felder und Wälder hergaben. Nicht nur der Bigos wurde in dieser Zeit groß, sondern auch die Pierogi genannten Teigtaschen. Woher sie eigentlich kamen, ist unklar: Legenden wollen wissen, dass sie von Marco Polo aus China mitgebracht wurden oder von den Tartaren aus dem russischen Osten. Typisch polnische Füllungen der Pierogi sind je nach Lust und Laune des Kochs Sauerkraut, Käse, Kartoffeln, Hackfleisch, Pilze. Als Dessert kommen Pierogi gefüllt mit süßen Beeren oder Marmelade auf den Tisch.
Überhaupt Sauerkraut. Die ganze Welt verbindet Deutschland mit Sauerkraut, doch es ist die polnische Küche, die den gegärten Weißkohl vielfältig einzusetzen weiß. So bildet er die Grundlage für beliebte Suppen wie Kapusniak und Kwasnica. Nicht minder beliebt ist Rote Bete, die als kalter Salat, als Beilage und natürlich als Suppe in Form des in ganz Osteuropa beliebten Borschtsch (der auf Polnisch Barszcz geschrieben wird) auf den Tisch kommt. Dritte im Bunde der Spezialitäten ist die Gurke, die unter anderem zu Mizeria verarbeitet wird.
Kartoffeln statt Grütze
Schon die mittelalterliche polnische Küche kannte eine sehr frühe Form der heute allgegenwärtigen Frühstücksflocken: die Buchweizengrütze (Kasza gryczana), bei der der Buchweizen zerkocht und mit Milch verrührt wird. Über Jahrhunderte war die Grütze ein Grundnahrungsmittel, ehe die Kriege des 17. Jahrhunderts massive Ernteausfälle verursachten und die Polen auf die praktischere Kartoffel umstiegen. Aus Böhmen und Bayern kamen die Inspirationen zu diversen Knödeln wie den mit Rindfleisch und Zwiebeln gefüllten Pyzy, den Kopytka und den Kluski Slaskie, den kleineren schlesischen Knödeln.
Brot spielt seit jeher eine wichtige Rolle in der polnischen Küche. Aus Krakau stammt der landesweit bekannte Obwarzanek, ein großer Brotring, der bereits auf Rechnungen an König Wladyslaw II. Jagiello erwähnt wurde und EU-weit als Krakauer Traditionsprodukt geschützt werden soll. Eine kleinere weichere Variante des Obwarzanek, die ebenfalls aus Krakau stammt, wird heute eher mit New York in Verbindung gebracht: der Bagel (Bajgiel auf Polnisch).
Jetzt geht es um die Wurst
Wer bei Krakau eher an Wurst als an Brot denkt, dem sei verziehen: Schließlich ist die „Krakauer“ auch in Deutschland eine beliebte Köstlichkeit und einer der bekanntesten Exporte der polnischen Küche – zusammen mit anderen polnischen Würsten wie Kabanos, Jägerwurst, Glogauer und Krupniok. Bayern müssen nun ganz stark sein: Die Weißwurst ist eine polnische Spezialität in zahlreichen Varianten. Die schlesische Weißwurst gilt zusammen mit Kartoffeln und (klar!) Sauerkraut als klassisches Weihnachtsessen in Schlesien.
Beim Fleischverzehr war Polen jahrelang Spitzenreiter, ehe es von den USA abgelöst wurde. Ob Schwein, Rind, Lamm, Wild, Hase oder Fasan: Gegessen wird alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Sehr beliebt sind der Husarenbraten (Pieczen huzarska), gebratene Ente (Kaczkana jablach) und Klopsiki, ein Hackbraten mit Eiern. Das Wiener Schnitzel firmiert hier unter dem Namen Kotlet Schabowy (Schweinekotelett) und das bayerische Eisbein unter Golonka. Aus Litauen stammt eine vergleichsweise leichte Köstlichkeit: Golabki heißt zwar wörtlich übersetzt „kleine Tauben“, meint aber Hackfleisch in Kohlblättern mit Tomatensoße. Ostsee und Flüsse tragen Heringe, Dorsch und Karpfen zur polnischen Küche bei.
Zur Abwechslung etwas Süßes
Weniger bekannt ist die polnische Küche für Süßwaren. Dies bedeutet nicht, dass es im Nachbarland nichts Leckeres zum Naschen gäbe. Klassiker sind der Käsekuchen Sernik und der Mohnkuchen Makowiec. Bekannt dürfte den meisten der Paczek vorkommen: Dabei handelt es sich um die polnische Version des Berliners.
Wodka: eine polnische Erfindung
Wodka gilt heute als urrussisches Getränk, doch tatsächlich waren es vermutlich Polen, die das „Wässerchen“ zuerst brauten: 1405 wurde es erstmals schriftlich im polnischen Sandomierz erwähnt. Noch heute werden die üppigen polnischen Mahlzeiten gerne mit einem Gläschen abgerundet. Eine polnische Spezialität ist der Zubrowka genannte Wodka, dem duftiges Bisongras eine Waldmeisternote verleiht. Viele Polen verdünnen die Spirituose mit Apfelsaft zu einem Getränk namens Szarlotka (Apfelkuchen). Daneben haben polnische Biere wie Tyskie und Zywiec international Verbreitung gefunden.