Vietnamesische Küche
Die vietnamesische Küche lebt von Kontrasten, die mit vielschichtigen Aromen erfreuen. Reis oder Nudeln bilden die Grundlage der Gerichte, die Gemüse aller Art, Fleischspeisen und Meeresfrüchte ergänzen. Suppen und Rollen erscheinen mit zahlreichen Beilagen, die dem Genießer die Kontrolle überlassen.
- Exotische Zutaten und Einflüsse der Besetzernationen
- Geografische Vielfalt
- Unverzichtbar: komplexe Fischaromen von Nuoc Mam
- So essen vietnamesische Familien
- In Kokosnussmilch gekochte Tapiokaperlen
- Kaffee, Baguettes und Croissants von den Franzosen
- Vietnamesische Gerichte
Exotische Zutaten und Einflüsse der Besetzernationen
Die Fülle des tropischen Landes spiegelt sich im Reichtum der Zutaten wider, von denen viele in westlichen Ländern noch eher unbekannt sind. Ein Jahrtausend chinesischer Herrschaft und die französischen Kolonialherren haben in der Esskultur deutlich sichtbare Spuren hinterlassen. Baguette und Croissants gehören ebenso zum Straßenbild wie Woks und Stäbchen.
Gemüse und Kräuter gehören zu jeder Mahlzeit
„Ein Essen ohne Gemüse ist wie eine Krankheit ohne Arznei.“ Dieses vietnamesische Sprichwort erfreut Vegetarier und zeigt, dass die herzhaften Fleischgerichte Vietnams nicht ohne den Gegensatz von frischen Zutaten auskommen. Die Küche dieses tropischen Landes unterscheidet sich von der seiner Nachbarn China, Kambodscha und Laos durch die Fülle von Kräutern, die bei keinem Gericht fehlen dürfen.
Spuren der Kriegsjahre
Viele Vietnamesen ziehen ihre Kräuterpflanzen im eigenen Garten. Noch heute lassen sich die Spätfolgen jahrzehntelanger Kriege in der Küche spüren. Nach dreißig Jahren Bürgerkrieg und Kriegen gegen Franzosen, Japaner und Amerikaner erlangte Vietnam 1976 die Unabhängigkeit. Eigener Anbau gehörte in den Kriegsjahren zum Überleben. In kleinen Gärten im ganzen Land sprießen Gemüse und Blattpflanzen mit exotischen Namen. Das vietnamesische Pfefferblatt La Lot verleiht beispielsweise dem Gericht Bo La Lot seinen Namen: gegrillte Fleischröllchen in Blätter gewickelt.
Herzhaftes Aroma mit frischen, würzigen Noten
Blätter der Winde (Morning Glory), Perillakraut, vietnamesischer Koriander, Rau Ôm (Kraut der Reisfelder) und Thai-Basilikum geben den herzhaften Aromen der gegrillten und gedämpften Fleischgerichte eine frische, würzige Note. Heute leidet niemand mehr wie zur Zeit der Kriege unter Hunger – aber Vietnamesen essen immer noch alle Tiere, die genießbar sind. Hunde gelten als Delikatesse, die in speziellen Restaurants zubereitet werden.
Geografische Vielfalt
Eine Bambusstange mit zwei Reisschalen
Die geografische Vielfalt der Regionen sorgt für große regionale Unterschiede der Gerichte. „Bambusstange mit zwei Reisschalen“ beschreibt die Form von Vietnam. Ein langer Streifen Bergland verbindet zwei fruchtbare Flussdeltas, die Reis liefern. Basmati-, Jasmin- und Klebreis wachsen hier. Aus einem Teil der Körner entstehen Reisnudeln und Reispapier. Im Hochland haben sich außerdem zahlreiche Kaffeeplantagen angesiedelt.
Hohe Berge im Norden, Palmenstrände im Süden
Im Norden grenzen die Berge des Yunnan-Hochlands an China. Hier brauchen die Menschen wärmende Gerichte aus dem Wok, die chinesisch anmuten. Touristen bevölkern heute Palmenstrände am Südchinesischen Meer. Hier ist die Kost leichter, aber man isst schärfer. Sommerrollen mit viel Gemüse, nahrhafte Suppen und belegte Baguettes stillen den Hunger in der tropischen Hitze.
Unverzichtbar: komplexe Fischaromen von Nuoc Mam
Kaum ein Rezept kommt ohne die berühmte Fischsoße aus: Nuoc Mam. Fisch, vor allem Sardellen, fermentieren monatelang mit Salz. Dieser Prozess führt zu einer streng riechenden Flüssigkeit, die jedoch wunderbar würzig schmeckt. Die zahlreichen Garküchen im Land riecht man dank der Fischsoße häufig schon, bevor man sie sieht. Auf keinem Esstisch fehlt die Fischsoße, weder in Restaurants noch in Garküchen oder in privaten Wohnungen.
Erdende Wirkung der Krabbenpaste Mam Tom
Fischsoße vermischt mit Zitronensaft, Zucker und Essig sowie klein geschnittene Chilis erscheinen auf jedem Esstisch. Einen ähnlich überwältigenden Eindruck auf die Geruchsnerven macht die fermentierte Krabbenpaste Mam Tom. Sie erdet Gerichte mit salzig-würzigen Tönen, die in Kombination mit anderen Zutaten ihre volle Wirkung erzielen.
Geschmacksrichtungen einzeln wahrnehmbar
Zitronengras, Knoblauch, frische Chilis und Ingwer liefern in Vietnam Aromen, die sich in den Nachbarländern wiederholen. Unverkennbar vietnamesisch sind die Kombinationen der Zutaten: Köche zielen darauf ab, Yin und Yang in ihren Gerichten harmonisch zu präsentieren. Die fünf Geschmacksrichtungen – süß, salzig, sauer, bitter und scharf – sollen in jedem Gericht einzeln wahrnehmbar sein. Das führt zu kontrastreichen Geschmackserlebnissen und dem Servieren eines Hauptgerichts mit zahlreichen Beilagen. Jeder Bissen liefert eine neue Sinfonie von Geschmacksnoten.
Suppentöpfe brodeln von morgens bis abends
Das Bemühen um erkennbare Geschmacksrichtungen zeigt sich in der Suppenkultur. Vietnamesen essen Suppen den ganzen Tag lang. Nudelsuppen sind ein beliebtes Frühstück. Kleine Garküchen spezialisieren sich in der Regel auf eine Suppe. Der Topf mit Brühe brodelt von morgens bis abends. Kräuter, Fischsoße, Zitronenschnitze und eingelegte Chilischoten stehen auf Tischen bereit. Wenn sich ein Gast auf den kleinen Plastikstühlen niederlässt, ist die Suppe in wenigen Augenblicken zubereitet.
Bun Rieu, Banh Canh und Pho Bo
Die Brühe enthält eine Reihe unterschiedlicher Einlagen. Fleischbällchen, gegrilltes Fleisch, gebratener Fisch, Meeresfrüchte aller Art und Schnecken landen im Suppentopf. Viele Suppenrezepte enthalten das Wort Bun im Titel, zum Beispiel Bun Rieu oder Bun Cha. Dabei handelt es sich um dünne Reisnudeln, die als Vermicelli oder Fadennudeln bekannt sind. Banh bezeichnet dicke, runde Nudeln, die Tapiokamehl enthalten. Banh Canh heißen Suppen, die mit knuspriger Ente, Garnelen, gebratenem Tofu oder Huhn auf den Tisch kommen. Pho Bo, Brühe aus Rinderknochen, ist als Frühstück beliebt.
Gemeinsames Rollen mit Blättern und Reispapier
Eine weitere Spezialität der vietnamesischen Küche sind Rollen aller Art. Frittierte Frühlingsrollen gelten als Nationalspeise, deren verschiedene Füllungen Vegetarier und Fleischfreunde glücklich machen. Sommerrollen mit Reispapier sind eine leichte Variante von Frühlingsrollen. Bei Bo La Lot handelt es sich um gegrillte Fleischröllchen. Blätter und geschnittenes Gemüse ummanteln diese Röllchen, bevor man sie in gewürzte Fischsoße tunkt.
Reispfannkuchen in einer Hülle von Gemüse
Bei Banh Xeo erhalten Reispfannkuchen mit Fleisch, Gemüse oder Garnelen eine Hülle aus Kräutern, Gemüse und Reispapier. Vietnamesische Familien treffen sich zu gemeinsamen Mahlzeiten, bei denen jeder seine eigenen Rollen zubereitet. Alle Zutaten stehen auf dem Tisch – bereit, gewickelt zu werden. Zahlreiche Gemüsesorten sind im Westen unbekannt, wie klein geschnittene Bananenblumen oder Sprossen von Mungobohnen.
So essen vietnamesische Familien
Ein übliches Familienessen besteht aus einer Reisschale für jedes Mitglied. Schalen mit gebratenem Fleisch, Fisch und Gemüse stehen im Zentrum. Jeder bedient sich aus den Gemeinschaftsschalen mit seinen Stäbchen. Kräuter und gewürzte Fischsoße zum Eintunken runden das Mahl ab. Manche Gerichte, wie Suppen oder Desserts, essen Vietnamesen mit Löffeln. Regelmäßige, gemeinsame Mahlzeiten sind wichtiger Bestandteil des Familienlebens.
In Kokosnussmilch gekochte Tapiokaperlen
Süßspeisen essen Vietnamesen den ganzen Tag über als Snack und als Nachspeise nach einem Festmahl. Eiscreme mit frittierten Früchten entspricht westlichem Geschmack. Viele Süßspeisen entstehen aus der Stärke von Mungobohnen. In Kokosnussmilch gekochte Tapiokaperlen sind ein typisches Dessert für Vietnam.
Kaffee, Baguettes und Croissants von den Franzosen
Die Konditoreien des Landes bezeugen, wie tief der französische Einfluss in der Küche reicht. Über ein Jahrhundert lang regierten die Franzosen das Land und hinterließen ihm Schokoladencroissants, Kaffeeplantagen sowie verschiedene Gemüse- und Obstsorten. Überall im Land sind mit Leberpastete belegte Baguettes zu bekommen. 1990 war Vietnam der zweitgrößte Kaffeehersteller der Welt. Kaffeepause mit heißem oder kaltem Kaffee gehört für Vietnamesen zum Alltag wie Erdbeertorte oder Artischocken mit Schweinerippchen.